Im Pharmaziestudium lernt man so einiges. Aber nicht, wie man schreibt. Marius wollte es wissen und absolvierte in der Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung ein Volontariat. Heute schreibt er als freier Journalist über die Pharmazie. Er findet, dass der Spagat zwischen Apotheke und Journalismus kleiner ist, als viele denken.
Nach der letzten Prüfung meines zweiten Staatsexamens schickten mich meine Examinator:innen aus dem Raum, um sich kurz hinter verschlossener Tür zu beraten. Adrenalin pochte in mir, doch ich wusste, ich würde bestanden haben – es war vorbei. Jetzt hatte ich das Pharmaziestudium in der Tasche. Nach der Erleichterung pirschte sich schnell ein unruhiger Gedanke an: Was nun?
Dreieinhalb Jahre nach diesem Moment habe ich mich als Journalist selbstständig gemacht, um für Redaktionen Ideen, Texte und Podcasts zu produzieren. Fast immer geht es dabei um die Pharmazie. Mein Weg war alles andere als vorhersehbar. Heute weiß ich, dass die Jobs als Journalist:in oder Apotheker:in näher beieinander liegen, als ich es hätte ahnen können.
Nach der Prüfung machte ich mich auf die Suche, wo ich arbeiten soll. So viel wusste ich: Ich will dort arbeiten, wo ich das, was ich gelernt habe, auch einsetzen kann. Das soll in der öffentlichen Apotheke gehen, hörte ich, also ging ich im praktischen Jahr zunächst dort hin. Es stimmt, ich konnte mein Wissen einsetzen. Dort sprechen wir täglich mit vielen Patienten. Dort können wir ihnen helfen, mit dem, was wir wissen und lernen. Ich merkte aber auch: Nicht jedes Problem können wir lösen. Denn manchmal fehlt es uns an Patientendaten, an der Kommunikation mit den Ärzten, und- ach!– an Zeit.
Ich suchte weiter und begegnete Menschen, die sich für die Pharmazie und das Schreiben begeisterten. Menschen, die Lust hatten, mir etwas beizubringen. Menschen, die es mir leicht machten, Spaß am Mehr-Lernen zu finden.
Sie zeigten mir: Das Pharmaziestudium machte uns zu Allround-Naturwissenschaftlern. Das Studium und die Arbeit als Apotheker:innen macht uns zu Gesundheitsexperten, die wissen, wie Medizin wirkt und wie sie in einem komplizierten Gesundheitssystem zum Menschen kommt. Wenn wir wissen, auf welchen Gebieten wir uns zu Experten machen können, sind wir wertvoll für viele Arbeitgeber und Branchen– sei es die Apotheke, Kliniken, der Journalismus oder hundert andere Gebiete, auf denen wir arbeiten können.
Diese Menschen waren der erste Faktor, die mich zum Journalismus brachten. Der zweite Faktor war die Pharmazie. Weil ich Apotheker war und offenbar wissbegierig, bot mir die Deutsche Apotheker Zeitung eine Ausbildung in ihrer Redaktion an.
Ich begann also ein Volontariat, und merkte: Wer viel liest, so wie ich, kann nicht automatisch gut schreiben. Wer Wissen und Neuigkeiten in die Köpfe von Leser:innen bringen möchte, muss erst ein Kunsthandwerk erlernen. Worte müssen präzise gewählt sein, Sätze müssen klar sein und verständlich. In den zwei Jahren der Ausbildung verzweifelte ich manchmal an dem Gedanken, das mir dies nicht gelingt. Aber, gottlob, gibt es auf jedem unserer Wege Mentoren, die diejenigen mit Können füttern, die hungrig sind, zu lernen. Und heute folgen immerhin ein paar Leser meinen Gedanken bis zur Hälfte. Du zum Beispiel, liebe:r Leser:in. Du bleibst noch immer dran? Wow, danke!
Die Corona-Pandemie begleitete mich fast die gesamte Journalismus-Ausbildung. Für die Meisten war dies eine doofe Zeit, aber für mich ein Glücksfall: Denn nie war die Rolle der Medien für die Wissenschaft so präsent. Nie konnte man derart miterleben, wo Wissenschaftskommunikation gelingt und wo sie scheitert.
Dabei wurde mir etwas klar: Apotheker:innen sind jeden Tag Journalisten. Jeden Tag versuchen sie, schwer Greifbares verständlich zu machen. Während der Pandemie liefen viele Patienten in die Apotheke, die von den Meldungen anderer Journalisten verwirrt waren. Pharmazeut:innen sind oft die besseren Journalisten. Sie versuchen, die wichtigsten Informationen jedem Patienten klarzumachen, während Journalisten nur zu einer dunklen, unbekannten Masse sprechen. Bald werde ich wieder einen Minijob in einer Apotheke suchen, um nicht zu vergessen, wie Apotheke geht. Und um zu schauen, ob die Menschen verstehen, was ich erzähle.
Mein Alltag sieht heute anders aus als damals in der öffentlichen Apotheke. Er ähnelt eher meiner Zeit im Pharmaziestudium, zu Beginn der Prüfungsphase, wenn alle Laborpraktika geschafft sind. Die Tage haben wieder viele Stunden. Aber ein gewisser Druck ist da, denn der nächste Termin rückt stetig näher, an dem ich etwas vorweisen muss.
Wie damals arbeite ich ungern zuhause, sondern an einem Büroplatz, bei Freunden, unterwegs oder in Cafés. Ich brauche nur meinen PC, mein Handy, einen Block und mein Mikrofon. Ich lese mich in Themen ein, manchmal Studien, manchmal sind es Veröffentlichungen der Bundesregierung oder der EU-Kommission. Manchmal sitze ich in Pressekonferenzen, höre zu und stelle Fragen, ähnlich einer Vorlesung. Oft suche und finde ich Experten, die mir ein Thema erklären oder ein Statement beisteuern können. Auch an der Uni fragte ich Kommiliton:innen oder befreundete Mediziner:innen, wenn ich etwas nicht verstanden hatte.
Im Pharmaziestudium würde jetzt der unangenehme Teil folgen – das Büffeln. Doch in meinem jetzigen Job fängt der Spaß erst richtig an. Ich konzipiere meinen Text. Ich grüble, welche Fragen er unbedingt beantworten muss. Ich spüre die Sätze auf, die Leser fragend zurücklassen würden und schraube an den Worten. Ich brüte, wie der Text spannend wird. Ich knoble, wie ich ihm einen schönen Anfang und ein noch schöneres Ende bereiten kann.
Doch wie ihr lesen könnt, bereitet es mir noch immer Schwierigkeiten, ein gutes Ende für meine Texte zu finden. Das gute dabei: Solang ich weiß, was ich noch lernen kann, worin ich besser werden kann, geht mein Weg weiter. Darauf freue ich mich. Ich hoffe, liebe Leser:in, dass Du Dich auch auf deinen Weg als Pharmazeut:in freust.