Pharmazie studieren und dann nach dem dritten Staatsexamen ab in die öffentliche Apotheke – dieser Weg liegt zwar auf der Hand, aber führt dennoch nicht in eine Sackgasse. Insbesondere nicht, wenn in der Brust zwei Herzen für unterschiedliche Berufe schlagen. Simone Gansewig erzählt hier ihre Geschichte, gibt ein paar Hintergrundinformationen, und vielleicht inspiriert sie damit so manche Seele.
Es war einmal ein junges Mädchen, das bereits als kleines Kind den Geruch in Apotheken liebte. Ehrfürchtig begleitete sie gerne Eltern oder Großeltern in diesen für sie damals sehr besonderen Ort und sah interessiert allen Vorgängen zu. Bereits damals begeisterten sie die persönliche Bindung und der freundliche Umgang zwischen pharmazeutischem Personal und Kundschaft. Die Vorstellung, wie viel Fachwissen in den Köpfen der Mitarbeiter einer Apotheke stecken muss, beeindruckte sie unheimlich. Seit dem Schulpraktikum in der neunten Klasse, das sie natürlich in der Apotheke absolvierte, stand dann fest: Sie möchte Pharmazie studieren und Apothekerin werden.
Mein Weg zur PTA-Lehrkraft nach dem Pharmaziestudium
Kurz vor dem Abitur kamen plötzlich Zweifel auf. Wieso nicht einfach Chemie und Englisch auf Lehramt studieren? Lehrerin sein mit Fächern, die begeistern und junge Menschen voranbringen – das wäre doch ein wunderbarer Beruf. „Mutti hat ja schon immer gesagt, dass ich Lehrerin werden soll“, dachte ich mir. Die frühkindliche Prägung siegte jedoch an der Stelle – vielleicht war es auch der Geruch in Apotheken. Im Pharmaziestudium wohnte ich mit einer Lehramtsstudentin zusammen. Neben viel Pharmazie hat mich dadurch auch der Beruf der Lehrerin weiterhin geprägt.Nach dem dritten Staatsexamen ging ich als junge Apothekerin zunächst Vollzeit in Hamburg in die öffentliche Apotheke. Die Erfahrungen dort waren essenziell für meinen persönlichen Lernprozess. Mein Wissen aus dem Studium konnte ich teilweise anwenden, aber viele andere Fähigkeiten musste ich noch „on the job“ erlernen. Nach einem Jahr ging es leichter, aber der Lernprozess hört wohl in unserem Beruf niemals auf. Eines Tages stand SIE plötzlich in der Apotheke: Eine erfahrene PTA-Lehrerin unterhielt sich mit einem PTA, einem ihrer ehemaligen Schüler. Ich lauschte dem Gespräch zunächst mit halbem Ohr und klinkte mich prompt neugierig ein. „Wie, Sie sind Apothekerin und Lehrerin?“, fragte ich nach, und dann nahm das Gespräch seinen Lauf. Ich erfuhr, dass die staatliche PTASchule in Hamburg ganz in der Nähe der Apotheke ist, in der ich damals arbeitete. Ich ergriff die Chance! Nach drei Jahren Vollzeit in der öffentlichen Apotheke wagte ich den Quereinstieg in das berufliche Lehramt. Um als Lehrerin arbeiten zu können, muss generell ein Vorbereitungsdienst absolviert und ein Staatsexamen abgelegt werden. Danach ist man offiziell Lehrerin und kann nicht nur an Berufsschulen, sondern auch an Gymnasien oder Stadtteilschulen unterrichten. „Wenn ich schon drei Staatsexamen gemeistert habe, dann schaffe ich auch noch ein viertes“, dachte ich mir. Ich begab mich für 18 Monate zurück in die Rolle der Lernenden und eignete mir neues Wissen rund um das Unterrichten an. Schließlich absolvierte ich erfolgreich das vierte Staatsexamen. Seitdem bin ich Apothekerin und Lehrerin und arbeite derzeit Vollzeit im Hamburger Schuldienst.
Die Aufgaben einer PTA-Lehrerin
Die Aufgaben einer PTA-Lehrerin könnten vielfältiger nicht sein. Ganz allgemein unterrichten, erziehen, beraten
und bewerten Lehrkräfte, außerdem entwickeln sie Schule. Konkret für den Beruf der PTA-Lehrerin bedeutet
dies: Das im Studium erlernte Fachwissen wird benötigt, denn die PTA-Ausbildung ist schon ein „kleines
Pharmaziestudium“. In der kurzen Zeit von zwei Jahren Vollzeit-Unterricht wird unheimlich viel Fachwissen vermittelt. Hierfür müssen die komplexen Inhalte sinnvoll didaktisch reduziert und das Unterrichtsmaterial ansprechend gestaltet werden. Exemplarisches Lernen steht hier im Fokus, denn die Schüler:innen können nicht jeden einzelnen Arzneistoff in nur zwei Jahren lernen. Was hier zählt, ist, dass sie nach ihrer Ausbildung in der Apotheke handlungsfähig sind. Die Schüler:innen im Blick zu haben und individuell zu unterstützen, ist eine
besondere Herausforderung. Als Lehrerin an einer Berufsfachschule für pharmazeutisch-technische Assistenz
ist man nämlich keineswegs eine Referentin, die einfach vor der Klasse steht und Fachwissen präsentiert. Vielmehr ist man eine Lernbegleiterin, die die Schüler:innen auf dem Weg ihrer Ausbildung für die Berufspraxis
handlungsfähig macht. PTA-Schüler:innen bringen in der Regel schon viel Disziplin mit, sodass der Aufgabenbereich „Erziehen“ sich eher um spezifisches Verhalten zum Beispiel im Labor dreht. Das Beraten ist als Lehrkraft eine sehr relevante Tätigkeit, zum Beispiel wenn es um Lernstrategien, die Praktikumswahl und den späteren Arbeitsplatz geht oder auch einfach um die großen und kleinen Sorgen des Schulalltags. Zum Lehrer:innen- Alltag gehören natürlich auch die Konzeption und die Korrektur von Leistungsnachweisen und Prüfungen. Außerdem wird immer wieder der Blick über den Tellerrand gewagt, ein Netzwerk aufgebaut oder erweitert, und außerschulische Lernorte werden besucht. Das können Krankenhausapotheken, die pharmazeutische Industrie, Arzneipflanzengärten, andere PTA-Schulen oder auch einfach mal die nördlichste Apotheke Deutschlands in List auf Sylt sein. Aber auch Schule gestalten ist die Aufgabe einer Lehrkraft. Es wird immer wieder an Projekten gearbeitet, die die ganze Schule betreffen, zu Themen rund um Nachhaltigkeit oder Diversität, die Gestaltung von Unterrichtsräumen oder die Entwicklung von Unterricht. Langweilig wird es nie.
Die Frage: „Kann ich das?“
Die Frage müsste eher lauten: „Will ich das auch?“ Abgeleitet aus dem obigen Aufgabenspektrum, solltet ihr Folgendes mitbringen: Pharmazeutisches Fachwissen, Berufserfahrung, Planungskompetenz, Belastbarkeit, Empathie, Flexibilität, Begeisterungsfähigkeit, Resilienz, Freude am Umgang mit jungen Erwachsenen, Kreativität, ein Herz für die Apothekenwelt und den Blick für das System Schule. In der Regel besitzen Apotheker:innen all diese Eigenschaften, aber jeder sollte in sich gehen und sich fragen, ob der Lehrberuf tatsächlich die eigene Berufung ist. Um dies herauszufinden, gibt es die Möglichkeit einer Hospitationswoche. Hier kann erprobt werden, wie es sich anfühlt, vor einer Klasse zu stehen. In einigen PTA-Schulen kann auch auf Stundenbasis direkt unterrichtet werden. Dies ist eine gute Möglichkeit, um in den Beruf hineinzuschnuppern und eventuell später auf eine Anstellung in Teil- oder Vollzeit überzugehen. Mein Tipp: „Wer es fühlt“, sollte es ausprobieren. Der Weg zurück geht immer, und nichts ist schlimmer, als sich irgendwann zu ärgern, es nicht gemacht zu haben.
Von den Herausforderungen im Schulalltag
Der Schulalltag ist komplex, vielschichtig und unvorhersehbar. In einer einzelnen Unterrichtseinheit müssen unzählige Entscheidungen getroffen werden. Das kann mental anstrengend sein. Es gibt immer wieder Zeiten mit einer hohen Arbeitsbelastung – zum Beispiel in der Prüfungszeit oder vor den Zeugniskonferenzen, wenn die Noten fertig werden müssen. Aber im Grunde gibt es diese Herausforderungen an jedem Arbeitsplatz. Viel wichtiger ist hier wohl die Frage nach der Leidenschaft für den Beruf. Wer seine Arbeit liebt, der meistert auch die herausfordernden Zeiten. Ein kleiner Tipp: Ein gesunder Pragmatismus ist in herausfordernden Zeiten das Mittel der Wahl. Perfektion ist hierbei obsolet.
Deswegen lohnt sich dieser Weg
Kein Tag gleicht dem anderen. Die Tage sind kurzweilig. Den Blick auf die Uhr und die Frage „Wann ist der Tag
endlich um?“ gibt es nicht. Schüler:innen, die Erfolgserlebnisse feiern, die in die Berufswelt entlassen werden, die dankbar sind für guten Unterricht und empathische Gespräche – all das liefert den Antrieb für diesen Beruf und zaubert immer wieder ein Lächeln ins Gesicht.
„Lehrer haben fast immer frei und Ferien“ –was ist dran?
Nun ja, es scheint für Außenstehende oft so zu wirken – Ferien, am frühen Nachmittag schon Feierabend und
keine Notdienste. Als Vollzeit-Lehrerin verbringt man dennoch verbindlich viel Zeit in der Schule, unterrichtet,
führt Gespräche und organisiert. Korrekturen, Unterrichtsvorbereitung, Verwaltungsaufgaben werden oft am Wochenende, in den Ferien oder manchmal auch in einer selbstauferlegten Nachtschicht erledigt. Hierbei ist aber jeder selbst seines Glückes Schmied. Der große Bonus ist hier nämlich die Flexibilität für einen Teil der Arbeitszeit.
Es ist auch möglich, nebenher weiterhin in der öffentlichen Apotheke zu arbeiten. Und wenn sie nicht gestorben ist, dann unterrichtet und begeistert sie noch heute angehende PTAs für die Welt der Apotheken. So enden Märchen in der Regel. Mein persönliches Berufsmärchen ist wahr geworden. Ich bin Apothekerin und Lehrerin und liebe meine beiden Berufe.
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