Franz Hack hat sich nach Pharmaziestudium und Promotion für eine Stelle in der Pharmazeutischen Industrie im Bereich Drug Delivery and Formulation entschieden. Er gibt hilfreiche Tipps, die er auf seinem Weg von der Uni ins Unternehmen gesammelt hat, und erläutert, in welchen Bereichen Apotheker:innen in der Industrie tätig sind.
Der Weg zum Apotheker und zu seinem vermeintlich auf die Apotheke beschränkten Tätigkeitsfeld war mir lange vor meinem Studium bekannt und bewusst. Schon als kleiner Junge mochte ich Apotheken sehr, waren sie doch immer so reinlich, penibel geordnet, und die verschiedensten Gerüche aus Kosmetik, Teedrogen und Rezeptur vermischten sich zu einem universellen Offizingeruch. Etwas tiefere Einblicke konnte ich während diverser Schülerpraktika gewinnen: in einer Apotheke einer Universitätsklinik inklusive Zytostatikaherstellung, Rezeptur und Defektur. Das Pharmaziestudium begann schließlich, wie für viele, mit den Grundpraktika der chemischen Analytik, Vorlesungen zu den Grundlagen der Biochemie sowie Terminologie. Die universitäre und damit rein wissenschaftliche Betrachtung der Pharmazie waren ganz neue Aspekte, so anders, als ich es bisher gekannt hatte. Zugleich haben mir die nüchterne Betrachtung der naturwissenschaftlichen Grundlagen, das Verständnis darüber und die jeweiligen Zusammenhänge viel Freude bereitet, wie zum Beispiel die biochemischen Prozesse in Kombination mit der Humanphysiologie bzw. die Histologie und Physiologie der Pflanzen. Meine Neugier für wissenschaftliches Arbeiten, das im Rahmen des Staatsexamens leider etwas zu kurz kam, wuchs immer mehr.
Früh übt sich
Zugleich lernte ich im Grund- und Hauptstudium durch Industrievorträge, Famulaturen und Praktika, dass viele Apotheker:innen nicht nur in der akademischen Forschung, sondern auch in der Pharmazeutischen Industrie Forschung und Entwicklung (F&E) betreiben. Das Beschäftigungs- bzw. Forschungsfeld ist dabei sehr weitreichend: Von der pharmakologischen Targetfindung über chemische Synthesen bis hin zu Moleküloptimierungen oder der Modellierung von Pharmakokinetik/-dynamik, aber vor allem auch im technologischen Bereich der
Darreichungsformen sind Pharmazeut:innen tätig.
Im Praktischen Jahr bot sich mir schließlich ein sehr breiter Einblick in die Industrie, wo ich für sechs Monate im globalen Änderungsmanagement arbeitete, zugleich aber durch die PJ-Kolleg:innen viele andere Abteilungen und Arbeiten kennenlernte. So sah ich bei vielen Abteilungsvorträgen, im direkten Austausch und auch mal beim Mittagessen, dass Apotheker in der Pharmazeutischen Industrie nicht nur im Bereich F&E tätig sind, sondern auch in der Analytik, in der Produktion, in der Qualitätssicherung, im regulatorischen Bereich bis hin zum Verpackungsmanagement für Sekundärverpackungen. Neben dem großen Tätigkeitsspektrum kommen weitere Vorteile hinzu, wie beispielsweise vielfältige
Entwicklungs-, Fortbildungs- und Karrieremöglichkeiten, Auslandsaufenthalte oder der Wechsel zwischen Abteilungen und Tätigkeiten.
Global Player oder Mittelstand?
Die Erfahrungen aus meinem Masterstudium sowie das Interesse am wissenschaftlichen Arbeiten im Bereich der Pharmazeutischen Technologie führten mich nach dem PJ wieder zurück an die Universität. Die Promotionszeit bildet eine sehr gute Grundlage (neben wissenschaftlichem und methodischem Arbeiten), die richtigen Fragen zu stellen, Zusammenhänge zu erkennen und Projekte strukturiert anzugehen. Zugleich bietet die Promotion die Möglichkeit, im Anschluss verstärkt im Bereich Forschung und Entwicklung zu arbeiten. Einstiegspositionen in der Pharmazeutischen Industrie sind hier häufig Laborleiterstellen für spezifische Forschungsthemen mit Projekt- sowie Personalverantwortung (meist gegenüber technischem Personal). Grundsätzlich empfand ich es stets als wichtig, sich verschiedene Möglichkeiten offenzuhalten, zugleich aber auch einen Fahrplan zu haben, den man strukturiert verfolgt und anhand dessen man sich langsam zum Ziel vorarbeitet. Für mich stand nach der Promotion beispielsweise fest, dass ich weiterhin im Bereich F&E bleiben möchte, da mich die Nähe zur aktuellen Forschung reizte, allerdings nicht experimentell. Ich schaue mir mittlerweile Prozesse in der Theorie an, transferiere sie gemeinsam mit den wissenschaftlichen Kolleg:innen aus dem Labor in die Produktion, habe aber selbst keine Pipette mehr in der Hand. Diese Frage nach der Arbeitsweise muss am Ende jeder für sich selbst beantworten, bevor sie oder er nach offenen Stellenangeboten sucht.
Eine weitere Frage, die man für sich beantworten sollte, ist, ob man sich eher bei einem global agierenden Großunternehmen bewirbt oder bei mittelständischen Pharmakonzernen. Große Firmen bieten leicht höhere Gehälter, verschiedenste Karriere- und Traineeprogramme, Auslandsmöglichkeiten und dergleichen. Strukturen sind meist stark vorgeprägt, und Verantwortung wird tendenziell eher langsam übertragen. Kleinere Unternehmen zahlen häufig geringere Gehälter, ermöglichen dafür aber sehr schnell viel Verantwortung mit großer Entscheidungsfreiheit und schnelle Karriere- und Strukturveränderungen.
Bewerbungsverfahren der Industrie
Bewerbungsverfahren laufen sehr häufig ganz anders ab als bei öffentlichen und Klinikapotheken. Die Personalabteilungen übernehmen die Auswahl der passenden Bewerbungen, gefolgt von fachlichen Auswahlgesprächen. Die Auswahlverfahren können ganz unterschiedlich abgelaufen, schließen häufig Case Studies sowie Fragen zu Soft Skills mit ein, auf die man sich gründlich
vorbereiten, aber vor allem ehrlich antworten sollte. Die Auswahlverfahren sind aber nicht nur für die Bewerber teils langwierig, sondern auch für die Unternehmen. Für
beide Seiten bietet sich die Chance, sich optimal kennenzulernen. Schließlich ist Unzufriedenheit für niemanden zielführend.
Angekommen im Job in der Pharmazeutischen Industrie, geht die spezifische Fortbildung meist erst los. Das Onboarding, auch Einarbeitung genannt, dauert häufig mehrere Monate und schließt die intensive Schulung von Standardarbeitsanweisungen (SOPs) ein sowie Trainings zur Good Manufacturing Practice (GMP) und Compliance. Diese Fertigkeiten bringen Apotheker:innen teilweise bereits mit, vor allem im Bereich des präzisen und vorgabegebundenen Arbeitens. Intensivere Kenntnisse in den Bereichen Regulatorik, GMP und Prozesswissen müssen sich teilweise „on the job“ angeeignet werden, wie es von akademisch ausgebildeten Apotheker:innen zu erwarten ist. Dies bedeutet, dass es sich bei den ausgeschriebenen Stellen um Einstiegspositionen handeln muss, wenn nicht explizit anderweitig beschrieben. Grundlegende Fertigkeiten, die in den Stellenausschreibungen für die entsprechenden Positionen stehen, müssen aber dennoch erfüllt sein, was wiederum Wissen aus dem Studium, der Promotion oder der Fachapothekerausbildung voraussetzt und damit notwendig macht.
Verantwortung verantworten
Eine schnelle und verlässliche Auffassungsgabe ist ein weiterer Vorteil, der einen Job in der Pharmazeutischen Industrie begünstigt.
Angekommen in der Pharmabranche, geht es dann meist recht schnell mit vielen spannenden Projekten und Aufgaben los – in der Forschung und Entwicklung, in der Analytik oder der Qualitätssicherung. Das breite Wissen als Folge der breiten Ausbildung innerhalb des Pharmaziestudiums, die präzise Arbeitsweise und ein stetes Verständnis für Qualität schätzen viele Nicht-Apotheker:innen im Kollegenkreis. Das Wissen aus dem Studium, der Fachapothekerausbildung oder der Promotion wird jobspezifisch sehr unterschiedlich benötigt, ist aber definitiv relevant und von großem Vorteil. Wer beispielsweise mit Parenteralia arbeitet, sollte Methoden der Sterilisation und ihre Limitierungen kennen, um Prozesse bei der Herstellung oder Abweichungen davon entsprechend beurteilen zu können und damit den Einfluss auf die
Produktqualität und Patientensicherheit. Jede Tätigkeit hat schlussendlich Einfluss auf die Wirksamkeit, Unbedenklichkeit und Qualität des Arzneimittels und damit auf die Gesundung des Patienten; ein großes Stück Verantwortung, das man auch erst hands on lernen muss.