Henriette Feist hat in Leipzig Pharmazie studiert und arbeitet nun in einer Apotheke in Stuttgart. UniDAZ hat sie erzählt, warum sie für ihren Beruf brennt und welche Herausforderungen sie in der Zukunft der öffentlichen Apotheke sieht.
UniDAZ: Warum haben Sie sich für die öffentliche Apotheke entschieden?
Feist: Da muss ich etwas ausholen. Den Entschluss, Pharmazie zu studieren, hatte ich schon in der neunten Klasse gefasst. Ich wollte, dass kein Kind seinen Papa mehr an den Krebs verlieren muss und dafür das Wunderheilmittel finden. Dass das nicht so einfach ist, ist mir jetzt natürlich klar, aber Kinder dürfen träumen. Während des Studiums wusste ich noch nicht so genau in welche Richtung ich gehen möchte. Im PJ habe ich eines der Halbjahre genutzt, um in die Forschung Einblick zu erhalten und habe meine Diplomarbeit geschrieben. Nach dem Studium schnupperte ich in den Bereich des Fachjournalismus rein, aber irgendetwas hat sich immer nicht ganz richtig angefühlt. Für mich war es zu dem Zeitpunkt, an dem ich dann nach einer neuen Anstellung gesucht habe, ein guter Weg, wieder in einer öffentlichen Apotheke anzufangen. Während des PJ hat es mir in der öffentlichen Apotheke Spaß gemacht, Patienten wirklich helfen zu können mit einem anderen Blick auf Ihre jeweilige Situation und mit guten Tipps. Das ist auch der schönste Teil meiner Arbeit in der Apotheke. Ich liebe es einfach mein Wissen zu nutzen, um Menschen eine Lösung für ihre Probleme anzubieten.
UniDAZ: Was ist für Sie das Spannende am Apothekerberuf? Was begeistert Sie besonders?
Feist: Apotheker sind individuelle Alleskönner. Mit unserem Wissen und unserer Ausbildung können wir in so vielen Bereichen arbeiten, dass es immer die Möglichkeit gibt, mal etwas anderes auszuprobieren. Und ich finde es schön, dass ich mir immer wieder neues Wissen aneignen kann und muss.
UniDAZ: Apotheker haben die Pflicht, über Arzneimittel aufzuklären. Wie gehen Sie mit Kunden um, die sich nicht beraten lassen wollen bzw. in der Beratung genervt reagieren?
Feist: Ein guter Tipp meiner Chefin ist: Immer professionell bleiben, nichts persönlich nehmen und nicht auf Provokationen eingehen – sonst eskaliert es nur unnötig. Ich schaffe es nicht immer und ärgere mich dann über mich. Aber meine Kolleginnen meinen, mit dem Alter würde man entspannter und geruhsamer, denn die Patienten kann man nun mal nicht ändern. Wichtig ist es auch in der Beratung einen eigenen Leitfaden zu haben, dann kann man die wichtigsten Punkte effektiv abarbeiten. Bei Patienten mit chronischen Erkrankungen erkundige ich mich immer, ob sie wissen, wie sie ihre Arzneimittel einnehmen sollen, ob sie Fragen haben und so weit mit ihrer Therapie zufrieden sind. Schwieriger ist es, wenn Menschen in die Apotheke kommen und von mir eine Auskunft erwarten, mir aber keine Fragen beantworten möchten. Ich kann nur eine gezielte Empfehlung abgeben, wenn ich das Wissen über den Fall habe. Ich biete jedem Patienten ein Beratungsangebot, was die meisten gerne annehmen. Manchmal helfen aber selbst Engelszungen nicht weiter und am Ende tut man das, was man kann und lässt den Patienten ziehen. Ich habe ein konkretes Beispiel, das mir gezeigt hat, wie wichtig unsere Beratung ist: Ein Ehemann hat für seine Frau ein Rezept über Novaminsulfon eingelöst. Ich habe ihn darauf hingewiesen, dass sich der Urin verfärben kann. Er war so froh, weil sich seine Frau schon Sorgen gemacht hat und Angst hatte, dass sie wieder ins Krankenhaus muss. Er ist eine Woche später nochmal gekommen, um sich zu bedanken.
UniDAZ: Sie haben eine Fortbildung zur ATHINA-Apothekerin (ATHINA– Arzneimittel-Therapiesicherheit in Apotheken) absolviert und führen Medikationsanalysen durch. Welche Erfahrungen konnten Sie damit bisher in der Praxis sammeln?
Feist: Leider führe ich noch nicht wirklich welche durch. Meine Patienten waren aber bisher schon interessiert, wenn ich Ihnen davon erzählt habe. Da die erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation nun als pharmazeutische Dienstleistung in der Apotheke für viele Patienten von der Krankenkasse übernommen wird, freue ich mich darauf, meine Kenntnisse in diesem Bereich verstärkt einzusetzen. Im Studium in Leipzig wurden wir im Fach der Klinischen Pharmazie sehr gut ausgebildet und so war die ATHINA-Schulung eine super Wiederholung und Vertiefung in das Thema. Ich sehe in pharmazeutischen Dienstleistungen, wie u.a. Medikationsanalysen, die Zukunft von uns Apothekern in den öffentlichen Apotheken.
UniDAZ: Was würden Sie sich für die weitere Entwicklung des Berufsstandes wünschen?
Feist: Ich wünsche mir eine Zukunft, in der der Patient im Mittelpunkt steht und in der wir als Team aus verschiedenen Disziplinen der Heilberufe zusammenarbeiten, um die Lebensqualität unserer Patienten zu verbessern. Ich als Apothekerin möchte mehr als nur die Arzneimittelschachtel über den Tresen reichen. Wir Apotheker haben das Wissen, um Wechselwirkungen, Kontraindikationen und andere arzneimittelbezogene Probleme herauszufinden, zu bewerten und eine passende Lösung zu präsentieren. Wir werfen aus einem anderen Winkel einen Blick auf die Arzneimitteltherapie und können eine sehr gute Ergänzung zur ärztlichen Beratung sein. Ich möchte, dass wir miteinander und nicht gegeneinander arbeiten.
übrigens: ATHINA-Apotheker
ATHINA steht für „Arzneimitteltherapiesicherheit in Apotheken“ und ist eine Fortbildung der Landesapothekerkammer Baden-Württemberg. Die teilnehmenden Apotheker werden ausgebildet, um Medikationsanalysen durchführen zu können.
Dazu bringt der Patient alle Arzneimittel mit, die er einnimmt und bespricht die Medikation mit dem Apotheker. Danach wird die Medikation analysiert, z.B. hinsichtlich Doppelverordnungen und Wechselwirkungen, und ein übersichtlicher Medikationsplan wird aufgestellt. Bei einem zweiten Termin erhält der Patient diesen Medikationsplan sowie Informationen zu seinen Arzneimitteln. Sollte der Apotheker Verbesserungsvorschläge haben, z.B. um Nebenwirkungen zu reduzieren, werden diese besprochen. Eventuell kann auch eine Rücksprache mit dem Arzt nötig werden.
Für die neue pharmazeutische Dienstleistung „Erweiterte Medikationsberatung bei Polymedikation“ (s. Artikel „Rätsel um die fünf Fragezeichen gelöst“) benötigen Apotheker eine entsprechende Schulung. Hierfür wird derzeit u.a. ATHINA als Qualifikation anerkannt.
Apothekerin Desiree Aberle