Streit um Grippe-Impfungen in Apotheken
Impfungen in Apotheken bekamen durch die Pandemie Aufschwung. Was bisher nur in Modellprojekten möglich war, wurde im Mai in die Regelversorgung in Apotheken aufgenommen. So dürfen nun Apotheker:innen neben COVID-19 auch gegen Grippe immunisieren. Allerdings kommt starker Gegenwind aus der Ärzteschaft – die ABDA-Präsidentin Overwiening zieht den Vergleich eines Streits im Sandkasten.
Die Bundestagsfraktionen haben im Mai mehrheitlich beschlossen, dass alle Apotheken unabhängig von Modellprojekten gegen Grippe impfen dürfen. Ob die Impfung angeboten wird, bleibt freiwillig und setzt eine ärztliche Schulung der Apothekerin bzw. des Apothekers und entsprechende Räumlichkeiten voraus. Laut der Statistik der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. (ABDA) haben sich bereits (Stand April 2022) 1064 Apotheken in Deutschland für Corona-Schutzimpfungen qualifiziert. Sie benötigen für die Grippe-Impfungen, ebenso wie die Apotheken aus den Modellprojekten, keine zusätzliche ärztliche Schulung.
Kritik aus der Ärzteschaft
Die Idee: Die Apotheken sollen das Impfangebot der Ärzte niederschwellig ergänzen. Die ABDA-Präsidentin Gabriele Overwiening sprach auf der Pressekonferenz zum Tag der Apotheke am 3. Juni davon „die schlechten Impfquoten in Deutschland erhöhen“ und „neue Bevölkerungsgruppen für die Immunisierung gewinnen“ zu wollen. Die Ärzteschaft zeigt sich allerdings misstrauisch. Bereits bei der Vertreterversammlung in Bremen am 23. Mai kritisierte der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) Dr. Stephan Hofmeister die Impfungen in Apotheken scharf. Es sei „aus der berufspolitischen Sicht der Apotheken mehr als fragwürdig, offensiv Aufgaben einer befreundeten Profession zu übernehmen.“ Außerdem merkte er an, dass sich die Empfehlung der Ständigen Impfkommission (STIKO) hauptsächlich an Personengruppen richte, von denen er ausgeht, „dass gerade diese Menschen ohnehin in ärztlicher Behandlung sind.“ Dazu gehören unter anderem über 60-Jährige, Schwangere und Menschen, die aufgrund einer Grunderkrankung gefährdet sind.
Dass sich mit Impfungen in Apotheken durchaus Menschen erreichen lassen, die nie zuvor gegen Grippe geimpft wurden, zeigen Daten aus Irland. Dort darf in Apotheken seit 2011 gegen Grippe immunisiert werden. Einer Umfrage aus dem Jahr 2016 zufolge, die von der Pharmazeutischen Gesellschaft von Irland beauftragt wurde, erhielten 16% (60 von 374 Befragten) der in irischen Apotheken Geimpften zum ersten Mal eine Grippe-Impfung.
„Sandkasten“-Streit
Hofmeister brachte in die Diskussion um die Impfungen in Apotheken einen bekannten Gegenvorschlag ein: Um die medizinische Versorgung zu fördern, sollten Ärzte ein Dispensierrecht erhalten. Wie das Ärzteblatt berichtete, konterte Overwiening gegen diesen Vorschlag: „Dass die Ärzte das [Impfen in Apotheken, Anm. d. Verf.] für sich wie das Wegnehmen eines Spielzeugs im Sandkasten wahrnehmen und mit dem Dispensierrecht eine Retourkutsche fahren, ist ihr gutes Recht. Dabei ginge es aber „nicht darum, jemandem etwas wegzunehmen, sondern die Versorgung zu verbessern.“ Die ABDA-Präsidentin ist der Meinung, dass Ärzte nicht an Arzneimitteln mitverdienen dürften. Außerdem führte sie die Schweiz als Beispiel an, wo sich das Dispensierrecht für Ärzte mit höheren Ausgaben für Arzneimittel ausgewirkt hätte.
Der Streit zwischen Medizinern und Pharmazeuten kann an den Impfungen durch Apotheken nichts mehr ändern, denn der Bundestag hat sich dafür entschieden. Wie es aber in Zukunft mit der Forderung nach einem Dispensierrecht für Ärzte weitergeht, bleibt offen.